Ich möchte gerne kurz einige Aussagen zusammenfassen, die das Wahlverhalten von Menschen prägen (im folgenden „Wähler“ genannt, ungeachtet des tatsächlichen Geschlechts), die ich u.a. bei Oskar Niedermayer aufgesammelt habe.
Meistens sind es zwei kurzfristige Faktoren und ein langfristiger, die somit über den Ausgang einer Wahl entscheiden. Hinzu kommt die Strategische Wahl, die aber in der Regel auch von den unten beschriebenen Faktoren abhängt, und daher hier ausgeklammert wird.
Der langfristige Faktor Parteiidentifikation
Hierbei handelt es sich um die emotional affektive Bindung zu einer Partei, die über lange Zeit gewachsen ist. Häufig aus einer zunächst wertmäßigen Verbundenheit, die dann über das regelmäßige Wählen sich verfestigt hat. Oder auch, weil man in der Familie „schon immer CDU“ gewählt hat. Niedermayer nennt das eine Art “psychologische Parteimitgliedschaft“ ohne Parteibuch. Sie entsteht in der Jugend und ist häufig durch das soziale Umfeld geprägt.
Da beispielsweise vor der Hessischen Landtagswahl 2018 noch wenige Wochen vor der Wahl mehr als 40% unentschlossen waren, lässt sich sagen, dass dieser Faktor alleine zwar die Basiswählerschaft für eine Partei ausmachen kann, alleine aber nicht wahlentscheidend sein kann und wird.
Der kurzfristige Faktor: Personelles Angebot
Dieser Einflussfaktor beschreibt die Einstellung des Wählers zu den von der Partei präsentierten Personen, die quasi prototypisch für die Partei stehen. Also insbesondere kommt es hierbei darauf an, wie gut sich jemand mit dem oder den Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen identifizieren kann.
Das basiert im wesentlichen darauf, in wieweit man das Gefühlt hat, die Person „zu kennen“, denn sonst fühlt man sich nicht in der Lage ein Urteil zu bilden. Anschließend kommen Faktoren zusammen, wie Sachkompetenz, Führungsqualität, Glaubwürdigkeit und Sympathie.
Der kurzfristige Faktor: Themen
Hierbei geht es darum, dass der Wähler anhand von Themen darüber entscheidet, welche Partei er wählt. Der Wähler empfindet ein bestimmtes Thema als in der politischen Landschaft oder dem öffentlichen Diskurs als unterrepräsentiert und möchte, dass es mehr Gewicht erhält.
Zum einen gibt es nun Wähler, die für das jeweilige Thema alle Wahlprogramme studieren, um so zu der Erkenntnis zu kommen, welche Partei sie am besten dort vertritt. Erfahrungsgemäß ist das seltener der Fall, als der andere Typus.
Die andere und größere Gruppe der Wähler entscheidet sich zunächst für einen Themenbereich, der persönlich wichtig ist, aber aufgrund der Komplexität und des Aufwands für das Durcharbeiten von Wahlprogrammen entscheidet er aufgrund der Positionierung der Partei, die durch die Parteigeschichte, Medienberichte oder Marketing und Aktionen ganz generell erarbeitet und gesellschaftlich verfestigt wurde. Dies kann logischerweise von tatsächlichen Programmbeschlüssen oder Verhalten in der Vergangenheit abweichen.
Die langfristigen Parteibindungen sind vor allem für die Union und die SPD entscheidend. Sie haben häufig einen Wählerstamm, der über Jahrzehnte nichts anderes gewählt hat und dies an folgende Generationen auch wertbezogen versucht weiterzuvermitteln. Es zeigt sich aber, dass diese Bindungskräfte langsam nachlassen.
In meinen Augen haben verbleibenden Parteien in den Parlamenten folgende Themenbereiche für sich beansprucht und verteidigen sie gegenwärtig erfolgreich:
die FDP „Wirtschaft“, die Linken „Arbeit und Armut“, die Grünen „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“, die AfD „Migration“. Das bedeutet also wenn ein Wähler heute sagt, man müsse mal mehr für Arbeit und gegen Armut tun, dann hat er damit sein halbes Kreuz schon bei den Linken gemacht. Ohne Kenntnis darüber, ob die Konzepte nachhaltig zu Beschäftigung führen oder einen Weg aus oder gegen Armut ermöglichen.
Zu den Piraten meinte Niedermayer, der nachlassende Erfolg der ehemaligen Senkrechtstarter habe auch inhaltliche Gründe: “Sie haben es nicht geschafft, über das Thema Netzfreiheit hinaus ein politisches Angebot zu machen – und sie haben somit nie eine klare Position im Parteiensystem eingenommen.”