BuVo-IFG-Anfrage Lützerath

Der Bundesvorstand beschloss vor einer Weile, die Klimaaktivisten in Lützerath zu unterstützen. Eine Gruppe von Menschen kämpft hier gegen das Abbaggern eines Ortes, das von RWE umgesiedelt wurde, um Braunkohle abzubaggern.

Die Bundesregierung, das Land NRW und der Energiekonzern RWE einigten sich am 4.10.2022 auf einen Abbaustopp acht Jahre früher als geplant, also 2030, und Teil des Kompromisses war, eben noch die Kohle unter Lützerath abbauen zu können.

Innerhalb der Partei gab es umfangreiche Diskussionen, da eine Partei ja naturgemäß für die Durchsetzung gesellschaftlicher Interessen den Weg der repräsentativen Demokratie wählt – also in Parlamenten werden Kompromisse ausgehandelt, die in Gesetze geformt und beschlossen werden, und anschließend werden diese Gesetze durchgesetzt. Klimaaktivisten, bzw Aktivismus insgesamt, geht einen anderen Weg, der dem diametral entgegensteht – eine in der Regel Minderheit versucht, ihre Interessen ohne den Weg über Wahlen durchzusetzen und geht dazu auch in Konfrontation mit der Staatsgewalt bzw. bricht in dem Zusammenhang wissentlich Gesetze.

Interesse

Daher interessierte mich, in wieweit der Bundesvorstand, besser gesagt einzelne Bundesvorstandsmitglieder, sich hierzu äußerten und in Gruppen, ihre Meinungen vertraten oder sich haben überzeugen lassen. Dies geschah an einer Vielzahl von Orten, wie beispielsweise der Runde der Politischen Geschäftsführer oder der Bundesvorstandssitzung, die als Aufzeichnungen auch angehört werden können. Darüber hinaus gibt es Telegram-Gruppen, in denen mehrere Bundesvorstände sind, und sich austauschen. Einige davon sind bekannt, einzelnen kann auch jeder beitreten (sieht jedoch nicht jede Nachricht, die zuvor geschrieben wurde), andere sind gänzlich unbekannt.

Damit die Parteibasis die Einflussnahme auf den beschlusstreffenden Bundesvorstand nachvollziehen kann, hat der Bundesvorstand im Rahmen der selbstverordneten Geschäftsordnung entschieden, dass er grundsätzlich auskunftspflichtig gegenüber allen Mitgliedern und Untergliederungen der Piratenpartei sei. Diese hat er sich per 1. September 2022 gegeben. Und sie beschreibt explizit:

Der Auskunftspflicht unterliegen alle Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, die in Ausübung eines Parteiamts oder einer Beauftragung durch ein Parteiorgan bzw. in Umsetzung oder als Folge eines Beschlusses eines Parteiorgans angefertigt werden. Dies umfasst insbesondere aber nicht abschließend Protokolle, Beschlüsse, Verträge und Nachrichtenwechsel.

Hier bat as sich also an, dieses Instrument zu Nutzen, um Klarheit über die Gemengelage und den Werdegang zu diesen Entscheidungen zu erfragen.

Die Anfrage

Am 14. November fragte ich daher an:

Lieber Bundesvorstand,

der Bundesvorstand der Piratenpartei Deutschland ist grundsätzlich auskunftspflichtig gegenüber allen Mitgliedern und Untergliederungen der Piratenpartei.

Hiermit beantrage ich Auskunft über die Nachrichtenwechsel rund um das Thema Lützerath und Solidaritätsaktionen mit Klimaaktivisten, insbesondere in den Chaträumen mit zwei oder mehr Bundesvorstandsmitgliedern anwesend.

Es gab zahlreiche angeregte Diskussionen, es gab unterschiedliche Informationslagen zu einzelnen Anträgen, Ausführungen, Sachverhalten, etc, gleichzeitig ist der Klimawandel ein gesellschaftlich relevantes und wichtiges Thema. Alleine durch die gesellschaftliche und damit auch politische Bedeutung des Themas gibt es ein hohes Informatinsinteresse an den Erörterungen und dem Austausch der Bundesvorstände untereinander und mit Gruppen in der Partei. 

Vielen Dank,


Sebastian

1. Antwort

Am 16. November erhielt ich die Antwort, die – so scheint mir – eine Vermeidung der Information über genau ebenjene mögliche informelle Einflussnahme ist.

Moin,

alle relevanten Daten wurden in der PolGf Runde veröffentlicht. Was der hessische PolGf ja sicher in den hessischen Vorstand getragen hat. Sollte das versäumt worden sein, gibt es die Aufzeichnungen der Runde.

Sollte noch etwas unklar sein beim Nachhören, von dem Geschehen rund um Lützerath, einfach die nächste Sitzung besuchen und aufmerksam den Berichten der Beauftragten von Bund und Länder zuhören.

Auch Fragen können dort gestellt werden, wenn das Thema an der einen oder anderen Stelle zu komplex ist.

Gruß 
Mark Hintz
Politischer Geschäftsführer
Piratenpartei Deutschland

Der Verweis auf die öffentlichen Sitzungen, in der auch der Landesvorstand zugegen war, deckt nun gerade nicht das ab, was der Artikel 10 der Geschäftsordnung, also die Regelungen zur parteiinternen Informationsfreiheit im Bereich des Bundesvorstands erreichen soll. Es ist bekannt, dass es informelle Telegram-Gruppen gibt, in der man sich sehr ausführlich und planhaft austauschte.

Daher erlaubte ich mir eine erste Nachfrage.

1. Nachfrage

Lieber Vorstand,

meine Frage war nicht, was der Bundesvorstand rund um die Unterstützung der Aktivisten geplant hat, oder was in der PolGef-Runde veröffentlicht wurde. Was dort gesprochen wurde ist mir zugänglich. 

Ich beantrage Auskunft über die Nachrichtenwechsel rund um das Thema Lützerath und Solidaritätsaktionen mit Klimaaktivisten, insbesondere in den Chaträumen mit zwei oder mehr Bundesvorstandsmitgliedern anwesend. Erneut, und das hat der Bundesvorstand so beschlossen: Der Auskunftspflicht unterliegen alle Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Dem bitte ich daher entsprechend nachzukommen.

Vielen Dank für eine zeitnahes Zur-Verfügung-Stellen. 


Sebastian

Ich werde weiter berichten, sobald ich eine Antwort erhalten habe, insbesondere die gewünschten und in der Geschäftsordnung angekündigten und versprochenen Protokolle.

2. Antwort

Die Antwort auf meine Nachfrage kam am 24. November. Leider gab es dabei erneut keinerlei Informationen zum Nachrichtenwechsel zwischen und mit Bundesvorstandsmitgliedern, sondern nur einen Verweis auf die Möglichkeit zum Beitritt zu einer AG, die in einem Cryptpad mit einem Kanban-Board genannt wurde.

Hallo,

die genannte Arbeitsgruppe ist offen für jeden Piraten und von Anbeginn der Arbeit wurde innerhalb des CryptPad dazu aufgerufen beizutreten. Damit ist dem Anspruch auf Veröffentlichung genüge getan, laut unserer GO.

Ich würde mich über eine zielgerichtete und konstruktive Mitarbeit freuen.

Gruß Mark
https://cryptpad.piratenpartei.de/kanban/#/2/kanban/edit/9LyQKAVlMsWM8dHgJdVSeoh8/

Ich sehe in der Antwort leider nicht die Möglichkeit herauszufinden, wer nun auf den Bundesvorstand wie Einfluss genommen hat, mit welchen Argumenten und wie man sich ausgetauscht hat. Welche Kontroversen es gab, wie man mit abweichenden Ansichten umgegangen ist.

Aber irritierender ist zugleich das Verständnis des IFG-Paragraphen in der Geschäftsordnung. Während man explizit einen BuVo-Beschluss getroffen hat, der erklärt, dass alle angefragten Aufzeichnungen der Auskunftspflicht unterliegen, beharrt der Bundesvorstand darauf, dass der Verweis auf die bisher verfügbaren Informationen zur Erfüllung dieses Anspruchs ausreiche. Gleichzeitig wird darauf verzichtet zu erklären, dass es sich hierbei um alle Informationen handelt – daher kann man davon ausgehen, dass das nicht der Fall ist. Dieser Sachverhalt ist auch als solches bekannt.

Es folgen also gewiss weitere Schritte, ich werde hier darüber auf dem laufenden halten.

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